William Eggleston
Ohne Titel, 1978
Dye transfer-print
27,1 x 39,5 cm
Sammlung Niedersächsische Sparkassenstiftung im Sprengel Museum Hannover
© Eggleston Artistic Trust
Zur Arbeit
William Eggleston ist ein Chronist des amerikanischen Alltags, aber nicht unbedingt vorrangig als Landschafts-Fotograf bekannt. Deswegen mag dieses Motiv, das andernorts bisweilen auch unter dem Titel „Yellowflowers, Hillside, California“ oder „Untitled (Field of daisies and common Lupins)“ geführt wird, vielleicht überraschen. Es ist 1978 in seinem zweiten Künstlerbuch „Morals of Vision“ mit sieben weiteren Bildern erstmals publiziert worden. Auch darin besticht es durch eine Farbigkeit, die in diesem starken Kontrast bei Eggleston eher seltener vorkommt. Kurz nach seiner bahnbrechenden Ausstellung im Museum of Modern Art, New York konzentriert sich der Fotograf auf einen farbigen Zweiklang zwischen dem dominanten Feld gelber Margeriten und einem nicht minder strahlenden Blau des Himmels, der die Ausdehnung des Blumenmeers nur am oberen Bildrand begrenzt. Ansonsten ist das Gezeigte ortlos, eine gelbe Fläche unbegrenzter Natur, die durch diverse violette Lupinen in ihrer fast artifiziellen Anmutung noch gesteigert wird.
Ganz „unschuldig“ ist dieses Bild der Natur überdies jedoch nicht, denn beim zweiten Blick fallen drei schmal aufragende Strommasten auf, welche die (potentielle) Anwesenheit des Menschen anzeigen. Sie befinden sich im oberen Drittel des Bildes, akzentuieren eine räumliche Tiefe, führen also den Blick den Berg hinauf, und bewirken durch ihre Platzierung in unterschiedlichen Abständen von links nach rechts eine Rhythmisierung des letztlich doch nicht so homogenen Bildfeldes. Es mag dahin gestellt bleiben, ob Eggleston hier wirklich das Verhältnis von Natur und Kultur thematisieren will. Unverkennbar aber ist, dass die Natur als ein pures Spiel der Farbe zum Bild wird.
CV
Der 1939 in Memphis, Tennessee, geborene und noch heute dort lebende William Eggleston zählt zu den Meistern der neueren Geschichte künstlerischer Fotografie. Nachdem das Medium sich lange Jahre fast ausschließlich auf eine schwarzweiße Bildgestaltung beschränkt hatte, markierte seine erste Einzelausstellung im Museum of Modern Art in New York im Jahre 1976 einen folgenreichen historischen Wendepunkt, da sie ausschließlich aus Farbfotografien bestand.
Im Unterschied zur kommerziellen Werbung, die sich beinahe ausschließlich bis dahin der Technik der farbgesättigten Dye-Transfer-Abzügen bediente, sind Egglestons Motive dabei alles andere als spektakulär, zeigen sie doch eher Ansichten des Alltags. Sie erinnern damit an Amateuraufnahmen. Im Unterschied dazu verleiht der Autor seinen Gegenständen jedoch durch die gezielte Steuerung der Kolorierung, der Perspektive und des Motivanschnitts eine zusätzliche Bedeutungsebene und ein oft fremdartiges Eigenleben. Personen und Dinge erscheinen dabei oft abgetrennt vom ihrem gesellschaftlichen Kontext. Speziell der Einsatz der Farbe verleiht dem Bild sodann eine psychologisierende Dimension, die den Betrachtenden Fragen über die (damalige) Gegenwart der USA aufdrängen.
William Eggleston ist in den bedeutenden Foto-Sammlungen der Welt präsent und hatte in den vergangenen Jahren Einzelausstellungen im Museum Ludwig, Köln, dem San Francisco Museum of Modern Art, der Albertina, Wien, dem Whitney Museum of American Art, New York, dem Haus der Kunst, München, der Fondation Cartier, Paris, und der Tate Modern, London.
Literatur
- William Eggleston, The Democratic Forest, Göttingen 2015
- Elisabeth Sussman / Thomas Weski (Hrsg.), William Eggleston: Democratic Camera. Photographs and video, 1961 – 2008, (Ausst.-Kat.) Whitney Museum of American Art, New York / Haus der Kunst, München 2008
- Thomas Weski (Hrsg.), William Eggleston: Los Alamos, Zürich 2003