Dunja Evers

Bildmodul

Portrait Nr. 52, 2002
C-print, übermalt, auf Aludibond
25,5 x 25 cm
Privatsammlung

© VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Zur Arbeit

Dunja Evers Porträts erscheinen auf den ersten Blick wie flache, nahezu monochrome Abstraktionen – zu flach, um unmittelbar als Malerei, zu ungegenständlich, um unmittelbar als Fotografie klassifiziert zu werden. Ihre Entstehung verdankt sich kurzen Super-Acht-Filmen von Personen, welche nicht bewegungslos vor der Kamera sitzen, sondern aufgefordert sind, sich während der Aufnahme ungezwungen zu bewegen. Die Künstlerin fotografiert daraufhin eine Projektion des Filmes mit einer Belichtungszeit, die – im Verhältnis zu der Bildmenge des Films – verlängert ist, so dass sich medial bedingte Unschärfen einstellen. Evers macht sich hier die Eigenart des klassischen Films, der bekanntlich auf einer Aneinanderreihung mehrerer Bilder beruht, fotografisch zunutze. Anschließend wird von dem in seiner Intensität äußerst reduzierten Farbnegativ ein Abzug hergestellt, der mit einem Pinsel und Eiweißlasurfarben bearbeitet wird. Bei dieser nachträglichen Einfärbung des Fotos, im Falle von „Portrait Nr. 52“ mit roter Farbe, hält sich die „Autorin“ derart zurück, dass der malerische Vorgang als ablesbare Spur eines manuellen Farbauftrags in vielen Schichten nahezu vollständig verschwindet. Gleichzeitig wird durch die unterschiedlichen Helligkeitswerte und die geringe Linearität der zugrundeliegenden Fotografie eine tendenziell malerische Wirkung erzielt, die sich im Verlauf der Betrachtung zunehmend differenziert. Die Rezeption der Betrachtenden verändert sich von einer Abstraktion hin zum Versuch der Identifikation einer dargestellten Person, die freilich immer im Modus einer Erscheinung verbleibt – um im nächsten Augenblick erneut in der Farbe zu versinken.

Die Erinnerung an historisch frühe Formen der Fotografie vermischt sich bei Dunja Evers mit einer intermedialen Kombination, in der das abgebildete Individuum hinter dem neuartigen Bild-Hybrid zu verschwinden droht. Das derart provozierte Wahrnehmungs-Bewusstsein der Betrachtenden tritt hierdurch an die Stelle eines wiedererkennenden Sehens. Konsequenterweise enthüllt auch der Titel mit seiner schlicht fortlaufenden Nummerierung keine Identität des dargestellten Subjekts.

CV

Das Thema der Wahrnehmung und der Grenzen von Bildmedien ist entscheidend für das Werk der 1963 in Hamburg geborenen und heute in Berlin und Düsseldorf lebenden Dunja Evers. In der Durchdringung von Malerei, Film und Fotografie hat sie eine innovative Bildform gefunden, die sich nicht in einem Thema erschöpft.

Ob es sich dabei um Landschaften, Personen oder Dinge handelt, stets stehen die Betrachtenden selbst bei dieser ungewöhnlichen Form der Bildherstellung, die sich klar beschreiben lässt, sich aber visuell stets entzieht, im Mittelpunkt. Die Künstlerin filmt, fotografiert die Projektion (verlangsamt also) und übermalt das entstandene Foto sodann mit monochromen, nahezu spurenlosen Farbauftrag. Das Abbild verschwimmt in einem Bild-Hybrid und stellt gleichermaßen die Frage nach dem Dargestellten wie auch nach der Autorin. Auch der anonymisierende Bild-Titel hilft bei dieser Suche nach Begriffen nicht weiter und verweist auf ein suchendes, aktiviertes Sehen. Die Erinnerung an historisch frühe Formen der Fotografie sind bei alledem kaum von der Hand zu weisen.
Selbst wenn die Dunja Evers zunächst durch ihre Porträts und Landschaften bekannt wurde, ist ihr motivisches Repertoire durchaus vielfältig. Es erstreckt sich auf Film-Plakate, Boxer, Cowboys und Weltraum-Bilder, allesamt also medial vermittelte Bildwelten. Neben der erweiterten Fotografie hat sich die Künstlerin auch im Bereich der Video-Kunst und der Skulptur betätigt.

Dunja Evers Arbeiten wurden in diversen Ausstellungen, unter anderem in Einzelausstellungen in der Städtischen Galerie Wolfsburg, dem Kunstverein Göttingen, dem Kunstmuseum Bonn und im Fotomuseum Winterthur gezeigt.

www.dunjaevers.com

Literatur

  • Dunja Evers: We Are Not Alone, (Ausst.-Kat.) Städtische Galerie Wolfsburg, Heidelberg 2009
  • Stefan Gronert / Urs Stahel (Hrsg.), Dunja Evers: Zustände, Göttingen 2001