VALIE EXPORT

Bildmodul

Frau mit Tisch, 1992
Digital bearbeitete Schwarzweiß-Foto
101,5 x 83 cm
Leihgabe VALIE EXPORT

© VALIE EXPORT und VG Bild-Kunst, Bonn 2018

Zur Arbeit

Der Betrachter wird mit einem nackten weiblichen Körper konfrontiert, der ihm auf einem Stuhl gegenübersitzt. Die Ansicht der Frau ist anonymisiert: Kopf und Brust fehlen an der Oberseite, die Füße sind ebenfalls vom Bildrand abgeschnitten. Das Erstaunlichste aber erschließt sich erst auf den zweiten Blick. Dort nämlich, wo man das Geschlecht vermutet, ist nicht – wie zunächst gedacht – die Scham zu sehen, sondern eine gedrehte und verkleinerte Tischplatte, die in sich marmoriert erscheint. Die scheinbar offensive Darbietung des Geschlechts enttäuscht den voyeuristischen Blick, da sie keine solche ist, sondern durch einen artifiziellen Tisch sogar verdeckt wird.

Der perspektivisch in sich verzogene Tisch gibt aber noch weitere Rätsel auf, den er befindet sich auf einer ähnlich konstruierten Standfläche, die ihrerseits in den „realen“ Zwischenraum, der sich zwischen den darunter liegenden Beinen befindet, mit seiner schwarzen Einfärbung in einem nach links weisenden Knick wieder aufnimmt, so dass sich rückblickend die Frage auf den Tisch richten lässt, ob es sich die dort als Marmorierung beschriebene Struktur nicht als eine Vergrößerung der Ansicht des Schambereichs verstehen lässt.

Exhibitionismus, Verdeckung, Verfremdung – diese Kategorien tauchen in VALIE EXPORTs Werk mit einer gewissen Kontinuität wieder auf und widmen sich zentral dem Thema des maskulinen Blicks auf den weiblichen Körper, der hier zudem als ein anonymes Objekt erscheint. Die surreale Komponente, die die Künstlerin seit den ausgehenden achtziger Jahren mit digitalen Mitteln in ihr Werk eingeführt hat, steigert diese Dimension ein weiteres Mal.

CV

Die österreichische Künstlerin VALIE EXPORT (* 1940 in Linz) zählt zu den wichtigsten internationalen Pionierinnen konzeptueller Medien-, Performance- und Filmkunst. Bereits seit den sechziger Jahren setzt sie sich in ihrem Werk mit feministischen Fragestellungen auseinander, wobei die provokative Aktion „Tapp- und Tastkino“ zu den berühmtesten Arbeiten jener Zeit zählt.

Bis in die frühen neunziger Jahre ist die Frage nach dem Verhältnis von weiblicher Identität, Gesellschaft und Natur auch ein zentrales Thema ihres fotografischen Werks, was sie parallel zu anderen Kunstformen verfolgt. In Anlehnung an eine Zigarettenmarke, erfindet die geborene Waltraud Lehner 1967 ihren Künstlernamen VALIE EXPORT als künstlerisches Konzept und Logo, mit der Vorgabe ihn nur in Versalien zu schreiben, um als Marke wahrgenommen zu werden und als Protest gegenüber der männlichen Dominanz in einer grundsätzlich patriarchisch strukturierten Gesellschaft.
Die in Wien lebende Künstlerin ist mit wichtigen Werkblöcken in den Sammlungen des Centre Pompidou, Paris, der Tate Modern, London, des MoMA, New York, des MOCA, Los Angeles und vor allem im VALIE EXPORT Center Linz vertreten und hatte größere Ausstellungen u.a. im Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig, im Camden Arts Centre, London, dem Museion, Bozen und im Kunsthaus Bregenz.
Homepage: http://www.valieexport.at/

Literatur

  • VALIE EXPORT – Archiv, hrsg. v. Yilmaz Dziewior, (Ausst.-Kat.) Kunsthaus Bregenz 2012
  • VALIE EXPORT. Zeit und Gegenzeit/Time and Countertime, (Ausst.-Kat.) Belvedere Wien u.a.O. 2010
  • Sylvia Szely (Hrsg.), Export-Lexikon: Chronologie der bewegten Bilder bei VALIE EXXPORT, Wien 2007
  • Thomas Trummer (Hrsg.), VALIE EXPORT: Serien, Frankfurt a.M. 2004