Claus Goedicke

Bildmodul

Glasauge, 2011
(aus der 66-teiligen Reihe „Dinge“ (Teil 45))
Inkjet Print auf
59.4 x 42 cm (Blattmaß)
Niedersächsische Sparkassenstiftung im Sprengel Museum Hannover

© VG Bild-Kunst, Bonn 2018; Foto: Herling/Herling/Werner, Sprengel Museum Hannover

Zur Arbeit

Das Foto ist im Kontext der Reihe „Die Dinge“ entstanden, in der Goedicke zwischen 2007 und 2015 einzelne Objekte des Alltags vor einem einfachen Hintergrund isoliert dargestellt hat. „Glasauge“ ist zugleich vor dem Hintergrund eine Motiv-Geschichte zu sehen, die in der Fotografie an Bilder von Herbert Bayers „Glasaugen“ (1928), an surrealistische Thematisierungen des Auges und in der Malerei an Magrittes „Falscher Spiegel“ (1928) erinnert.

Konzentriert man sich auf dieses singuläre Motiv, abstrahiert also von seinem Zusammenhang in einer Bildreihe, die an die Stillleben-Tradition der sachlichen Fotografie anknüpft, so ist es ein Gegenstand, der ab ovo befremdet – obgleich es sich um eine bereits alte, schon im 17. Jahrhundert nachweisbare Form einer Prothese handelt. Doch ist es nicht ein einfacher Ersatz eines zerstörten menschlichen Körperteils, sondern ein zentrales Organ des menschlichen Zugangs zur, der Wahrnehmung von Welt.

Das Foto zeigt ein übergroßes Auge, dessen weiße Fläche mit artifiziellen roten Linien im Stile von Adern durchzogen ist. Es befindet sich vor einem in sich changierenden blauen Hintergrund, der die Distanz zum menschlichen Körper noch einmal unterstreicht. Trotz des Wissens darum, dass es sich um ein unbelebtes Ding handelt, wird es imaginär belebt. Dabei bleibt der Blick dieses Auges hier natürlich blind, er geht ins Leere. Dennoch blickt uns dieses unbelebte Auge an und wir können auch etwas in ihm erkennen – eine Reflexion von Licht, die man als Metapher des Sehens und der Fotografie zugleich erkennen mag. Letztlich sieht der Betrachter jedoch nur sich selbst beim Sehen in einen imaginären Spiegel, der kein Gegenüber ist.

CV

Der 1966 in Köln geborene Claus Goedicke setzt sich seit den neunziger Jahren systematisch mit der Tradition und der Aktualität der Bildform des Stilllebens auseinander. Es dient ihm zur Untersuchung kunstimmanenter Fragen, wie dem Verhältnis von Raum und Fläche, von Form und Farbe, Vordergrund und Hintergrund.

In seinen verschiedenen Serien lenkt Goedicke in seinen Farbfotografien den Blick des Betrachters immer auch auf das Spannungsfeld des Verhältnisses von Fotografie und Malerei. In fotohistorischer Hinsicht kann man zugleich eine Anknüpfung an die dokumentarische Tradition der Sach- und Werbefotografie erkennen, die er gleichwohl in die Gegenwart transformiert.

Die oft überlebensgroße bildliche Konzentration auf einzelne Alltagsobjekt erlaubt dem Betrachter von Goedickes Stillleben einen verblüffenden Blick auf Dinge, die der Wahrnehmung ansonsten oft entgehen, die übersehen werden und nun in einem neuen Kontext (hier: dem jeweiligen Bildhintergrund) nobilitiert erscheinen. In dieser besonderen Präsentationsweise werden die Erinnerungen an individuelle Dinge und Geschichten oder auch symbolische Lesarten in die präzise Beobachtung des einzelnen Dings verwoben.

Nach seinem 1995 bei Bernd Becher als Meisterschüler abgeschlossenem Studium der Fotografie an der Kunstakademie in Düsseldorf hat Claus Goedicke u.a. im Josef-Albers-Museum Quadrat, Bottrop, in der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur, Köln, im Museum Schloß Moyland, Bettburg-Hau, im Kunstverein Göttingen sowie in diversen internationalen Galerien ausgestellt. Er lebt in Berlin.

Literatur

  • Claus Goedicke: Dinge, (Ausst.-Kat.) Josef Albers Museum, Quadrat Bottrop 2017
  • Goedicke, (Ausst.-Kat.) Kunstverein Göttingen / Museum Schloss Moyland, Bedburg 2001