Stephen Shore
Main Street, Gull Lake, Saskatchewan, 1974
C-Print
25, 4 x 30, 5 cm
Sammlung Niedersächsische Sparkassenstiftung im Sprengel Museum
Zur Arbeit
Stephen Shore wurde bekannt für seine Motive aus nordamerikanischen Städten, die er 1982 erstmals in dem Buch „Uncommon Places“ publizierte. Seine Bilder prägten zugleich die Vorstellung des amerikanischen Lebens jenseits der Metropolen. Sie erscheinen auf den ersten Blick keineswegs spektakulär, doch ihre Faszination verdankt sich dem intensiven Licht und der mitunter künstlich wirkenden Farbigkeit. Zu diesen Bildern zählt auch dieses am 17. August 1974 in Gull Lake, einem Dorf im mittleren Süden der kanadischen Provinz Saskatchewan, an der Main Street aufgenommene Foto. Es beschränkt sich auf die Darstellung des urbanen Raumes. Ähnlich wie man es auch von den Straßenbildern von Thomas Struth kennt, ist die Kreuzung der Hauptstraße ansonsten menschenleer. Obwohl Shore den Ort seiner Aufnahmen im Titel immer angibt, geht es ihm um eine allgemeine Lebens-Form, die er bildlich reflektiert. Noch bevor die (farbige) Fotografie künstlerisch hoffähig wurde, konzentriert sich das Foto auf das Zusammenspiel von Linien, Licht und Farbigkeit.
Das extrem leuchtende Blau des Himmels wird hier von einem rot-orangenen Gebäude auf der rechten Seite und einem gelblichen Gebäude auf der linken Seite gerahmt. Gerade im Vergleich mit einem weiteren Bild, das Shore am selben Tag an der nächsten Kreuzung (Proton Avenue) aufgenommen hat und das in klassischer Manier durch seine zentralperspektivische Anlage gekennzeichnet ist, wird die kompositorische Besonderheit dieses Fotos deutlich. Seine Spannung lebt vom schrägen, nach links verrückten Blickwinkel, in dem Shore die Kreuzung erfasst hat und der so eine räumliche Staffelung bewirkt. Das Spiel der Linien dokumentiert sich dabei neben der schlichten Geometrie der Zweckbauten auch im Netz der Elektroleitungen.
CV
Zusammen mit William Eggleston zählt der 1947 in New York geborene Stephen Shore zu den Pionieren der künstlerischen Farb-Fotografie. Bereits seit den siebziger Jahren, nicht zuletzt durch seine erste Einzelausstellung im Museum of Modern Art, New York im Jahr 1976, wurden seine Bilder vom amerikanischen Leben jenseits der Metropolen international bekannt.
Dazu trug auch das erstmals 1982 publizierte Buch „Uncommon Places“ bei, das bereits als Klassiker der neueren Fotogeschichte gilt. In kühler Objektivität zeigen seine dokumentarischen Bilder eine Komposition aus intensiver Farbe und Licht, in der ein menschenleerer Parkplatz, ein Hotelzimmer oder ein Gebäude in einer Seitenstraße sowohl eine archetypische Aura als auch eine mehrdeutige persönliche Bedeutung erhalten können. Im weitgehenden Verzicht auf Personen-Darstellungen hat er das Bild der typisch amerikanischen Normalität anhand von Siedlungen, Straßenkreuzungen, Gewerbegebieten oder Fahrzeugen vor Augen geprägt.
Die Legende des ersten Verkaufs von Bildern an das MoMA im Alter von 14 Jahren hat ebenso wie seine Zugehörigkeit zur „Factory“ von Andy Warhol den Kult um einen Fotografen begleitet, der später auch als Lehrer am Bard College, Annandale-on-Hudson einflussreich geworden und in vielen internationalen Sammlungen präsent ist. Im Hinblick auf seine Einzelausstellungen sind besonders diejenigen in der Kunsthalle Düsseldorf, der Tate Modern, London, dem Museum of Modern Art, New York, der Albertina, Wien, dem Jeu de Paume, Paris, dem Fotomuseum Winterthur und bei c/o Berlin zu erwähnen.
Literatur
- Stephen Shore, (Ausst.-Kat.) The Museum of Modern Art, New York 2017
- Stephen Shore: Uncommon Places. The complete works, New York 2015
- Stephen Shore, (Ausst.-Kat.) Fundación MAPFRE, Madrid u.a.O., Heidelberg 2014
- Der rote Bulli: Stephen Shore und die Neue Düsseldorfer Fotografie, (Ausst.-Kat.) NRW-Forum, Düsseldorf 2010
- Christy Lange, Stephen Shore, London 2007