Hiroshi Sugimoto
Union City Drive-in, Union City, 1993
51 x 61 cm
Silbergelatine
Kunsthalle Bielefeld
Zur Arbeit
Die Geschichte der Entstehung der 1978 begonnenen und mittlerweile auf weit mehr 100 Bilder angewachsenen Reihe der „Theaters“ hat Hiroshi Sugimoto in einer schönen Episode selbst erzählt: „I’m a habitual self-interlocutor. One evening while taking photographs at the American Museum of Natural History, I had a near-hallucinatory vision. My internal question-and-answer session leading up to this vision went something like this: “Suppose you shoot a whole movie in a single frame?“ The answer: “You get a shining screen.“ Immediately I began experimenting in order to realize this vision. One afternoon I walked into a cheap cinema in the East Village with a large-format camera. As soon as the movie started, I fixed the shutter at a wide-open aperture. When the movie finished two hours later, I clicked the shutter closed. That evening I developed the film, and my vision exploded behind my eyes.“ (www.sugimotohiroshi.com/new-page-7)
Was hier passiert war, lässt sich anhand des Beispiels des Autokinos aus Union City (New Jersey) leicht nachvollziehen. Im Zuge einer abendlichen Filmvorführung, bei der offensichtlich – die Abwesenheit von Fahrzeugen im Vordergrund spricht dafür – keine weiteren Personen anwesend waren, ließ Sugimoto den Verschluss seiner Blende so lange offen, bis der Film beendet war. Die zeitliche Verdichtung der Einzelbilder des Filmes führt logisch zu einer visuell doch überraschend weißen, leeren Leinwand. Der Inhalt des Filmes wird dadurch gleichgültig, die Fläche zum Projektionsraum der Vorstellungen der Betrachtenden einer Fotografie, deren Medialität als solche thematisiert wird. Im Unterschied zu den Theater-Innenräumen wird Zeit hier noch durch die hellen Linien im Himmel, die das Dunkel wie mit hellen Strichen durchfahren, erfahrbar. Das Foto zeigt verschwundene Bilder, Vergänglichkeit, und so nimmt es sich beinahe wie eine Konsequenz aus, wenn man weiß, dass just jenes Autokino nur vier Jahre nach Sugimotos Foto selbst verschwunden ist, abgerissen und durch ein Shoppingcenter ersetzt wurde.
CV
Der 1948 in Tokyo geborene Hiroshi Sugimoto wurde nach seinem Studium in Japan und den USA, wo er heute lebt, in den frühen neunziger Jahren in Europa vor allem durch seine „Seascapes“ bekannt. Die minimalistischen Schwarzweiß-Fotografien von flachen Meereshorizonten, die er an vielen verschiedenen Küsten der Welt aufnahm, sind kontemplative Untersuchungen von Zeit und Licht, den zentralen Elementen der Fotografie.
Darüber hinaus hat Sugimoto seine konsequente thematische Arbeit auch in anderen fotografischen Serien verfolgt – etwa in den „Dioramas“ (Dioramen) und „Wax Museums“ (seit 1976), den „Theaters“ (seit 1978) (link zu: http://www.michaelschwarz.org), der Reihe „Architecture“ (seit 1997) bis hin zu skulpturalen oder architektonischen Interventionen, die allesamt seine Nähe zur Formensprache des Minimalismus und der Konzeptkunst offenbaren.
Sugimotos Werk ist in vielen internationalen Sammlungen präsent und in bedeutenden Institutionen ausgestellt worden, so etwa im J. Paul Getty Museum, Los Angeles, dem Museum Brandhorst, München, der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, dem Museum der Moderne Salzburg, der Neuen Nationalgalerie, Berlin, dem Centre Pompidou, Paris, dem Kunsthaus Bregenz oder der Kunsthalle Bielefeld.
Literatur
- Hiroshi Sugimoto – seascapes, Bologna 2019
- Hiroshi Sugimoto: Portraits, Bologna 2017
- Hiroshi Sugimoto: Theaters, Bologna 2016
- Hiroshi Sugimoto: Conceptual Forms and Mathematical Models, (Ausst.-Kat.) The Phillips Collection, Washington, Ostfildern 2015