Platino

Bildmodul

Alteritäten, 2020
Rauminstallation aus Wandmalerei und 19 Cibachromen

© der Raumaufnahme: Herling/Herling/Werner, Sprengel Museum Hannover

Zur Arbeit

Der bislang erstaunlicherweise vorwiegend im süddeutschen Raum bekannte Platino ist kein genuiner Fotograf, sondern ein über mediale Grenzen hinausdenkender, ganzheitlicher Künstler. Gleichwohl zählt die Bildform des großformatigen Fotos seit den achtziger Jahren zu den bevorzugten Elementen seines Schaffens, das immer auch aus räumlichen Gegebenheiten entwickelt wird. In diesem Sinne ist es konsequent, dass Platino für Ausstellungszwecke auf den vorgegebenen Raum reagiert, diesen gestalterisch ebenso aufgreift wie verändert. Das gilt auch für die speziell für das Sprengel Museum Hannover entwickelte Arbeit „Alteritäten“, die aus einer Kombination einer ortsspezifischen Wandmalerei und bereits zuvor existierenden Fotografien besteht.

Wie der Titel bereits anzeigt, werden hier Gewissheiten, Identitäten, in Frage gestellt. Wie sich aus den Reproduktionen kaum ablesen lässt, in der konkreten Erfahrung vor Ort aber klar wird, stellt sich hier ein Konflikt der Wahrnehmung von vermeintlich „ungegenständlichen“, rein koloristischen Flächen und der Identifikation von vergrößerten bzw. aus ungewöhnlichen Perspektiven gezeigten Alltags-Gegenständen ein, die sich in der eigenartigen körperlichen Erfahrung des Raumes aufhebt. In der mal entschleunigten, dann aber auch wieder dynamisch aufgeladenen Betrachtung wechselt das Sehen von einem Zustand in den nächsten. Der rechteckige Raum-Kubus mit seinen zwei Ein- und Ausgängen, auf die Platino ausdrücklich Bezug nimmt, verliert seine geometrischen Begrenzungen zugunsten des Erlebnisses von Farbe und Licht. Das gilt sowohl für die Fotografien, die keine einheitlichen Motive und Perspektiven zeigen, wie auch für die unterschiedlichen Auftragsweisen der Farbe.

Bei dieser Installation gerät die Fotografie erst gar nicht in den Verdacht eine illustrative Funktion auszuüben. Auch in der anschließenden Reflexion wird deutlich, dass ihre Entstehung sich nicht einer bestimmten, gezielten Intention verdankt, sondern dass sie (tendenziell) eigenständige Kunstwerke sind, die hier aber vom Künstler in dem Sinne funktionalisiert werden, dass sie Abbildhaftigkeit dem installativen Arrangement von Malerei und Fotos preisgeben, um eine neu konzipierte Totalität des Raumes auszubilden. Die nicht triviale, aber doch falsch gestellte Frage „Was will diese Kunst?“ lässt sich ebenso einfach wie unzureichend mit der Formel von der „Befreiung des Sehens“ beantworten. Dass damit zugleich eine Dimension eröffnet wird, die über die Kunst hinausgeht, liegt auf der Hand.

CV

Der 1948 in Öhringen geborene, vorwiegend in Stuttgart lebende Platino passt in keine Gattungs-Schublade der klassischen Kunstgeschichte – was seine bisherige Rezeption erschwert hat. Da jedoch die Fotografie eine große Rolle in seinem vielfältigen Werk spielt, sei er in diesem Kontext legitimer Weise vorgestellt.

In Platinos Werken ergänzen und überlagern sich Formen der Malerei, Skulptur, Fotografie und Installation in einem jeweils ortsspezifischen Sinn. Nachdem er zunächst 1979 in Stuttgart seinen ebenso privaten wie öffentlich zugänglichen „Red Space 1“ einrichtete, dort sieben Jahre lebte und die Räume in rote Formen und Farben verwandelte, gab er die Konzentration auf die Farbe Rot im „Space 2“ (1991–2003) und im „Space 3“ (seit 2003) auf und integrierte stärker auch Objekte. Seit 1982 entstehen darin auch „Externs“, großformatige, mit Acrylglas verbundene Cibachrome-Fotografien, deren Spiegelungen den umgebenden Raum und die Betrachtenden offensiv integrieren. Sie erschöpfen sich in ihrer radikalen Ausschnitthaftigkeit nicht in einer dokumentarischen Funktion, sondern werden in ihrer spezifischen Positionierung als Bestandteil des Raumes erfahrbar.

Auch jenseits seiner eigenen Räume hat Platino an verschiedenen Orten temporäre oder dauerhafte Interventionen vorgenommen. Hervorzuheben sind Einzelausstellungen in der Villa Arson, Nizza (1990), im Kunsthaus Zug (1992), dem Westfälischen Kunstverein Münster (1993), der Staatsgalerie Stuttgart (2000), dem Württembergischer Kunstverein Stuttgart (2013) und im Hans-Thoma-Kunstmuseum, Bernau (2017).

Literatur

  • Platino – à travers l’autre / durch einander, (Ausst.-Kat.) Hans-Thoma-Kunstmuseum Bernau, Bielefeld 2017
  • Platino: Flechtwerke und Fliehkräfte, (Ausst.-Kat.) Württembergischer Kunstverein Stuttgart, Berlin 2016
  • Platino – interface (to G. H.), (Ausst.-Kat.) Galerie der Stadt Tuttlingen 2012