Barbara Probst

Bildmodul

Exposure #32: N.Y.C., 249 W. 34th Street, 01.02.05, 5:04 p.m., 2005
Inkjet Print, 3-teilig
jeweils 168 × 112 cm
Courtesy Galerie Kuckei + Kuckei, Berlin

© VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Zur Arbeit

Das dreiteilige Bild zeigt das Fotografieren selbst – auf einer motivischen wie auf einer intellektuellen Ebene. Im linken Bild hält eine Frau in rotem Kleid, die sich an eine ungewöhnlich schräg verlaufende Wand stützt, eine Kamera auf uns Betrachtende. Im Mittelteil wird diese Frau von einem Mann rechts im Vordergrund aus einigen Metern Entfernung ihrerseits bei diesem Vorgang fotografiert – und in einem schwarzweißen Bild gezeigt. In der rechten Tafel, nun sehen wir das Geschehen erneut farbig, werden die beiden Fotografierenden der rot bekleideten Frau nun selbst von vorne dargestellt – offenbar ist dieses Foto die Voraussetzung des ersten Bildes. Sofern man den Prozess intellektuell nachvollzogen hat, wird klar, dass es sich um einen geschlossenen Kreislauf handelt, bei der sich drei Personen im Vorgang des Fotografierens gleichzeitig selbst fotografieren. Dass es sich hier nicht – wie man im Blick auf den Titel vielleicht meinen könnte – um zufällige Schnappschüsse, sondern um eine konzeptuelle Hyper-Inszenierung handelt, liegt auf der Hand. Die gebaute Räumlichkeit, das Spiel von Licht und Schatten, die artifizielle Haltung der Personen und der Wechsel von Farb- und Schwarzweiß-Aufnahmen sind dafür Beleg genug. Ein weiteres Detail besteht darin, dass die Autorin in diesem Fall selbst motivisch integriert ist: Barbara Probsts Selbstporträt ist mit einem von der Kamera verdecktem Gesicht auf der rechten Tafel zu sehen.

In einem Text über das Fotografieren hat die Künstlerin einige interessante Gedanken angesprochen, indem sie die Fotografie nicht als Dokument, sondern als Möglichkeits-Form versteht: „Als Möglichkeit einer Darstellung dieses Augenblicks und nicht als die Darstellung dieses Augenblicks. Verwunderlich ist, dass wir diesen Möglichkeitsaspekt einer Fotografie selten mit bedenken, offensichtlich, weil wir Fotografien weithin mit dem Anspruch betrachten, dass sie uns sagen sollen, wie es war und nicht wie es gesehen worden ist.“ (vgl. barbaraprobst.net/press/aufnehmen-und-sichtbarmachenmeditationen-uber-das-material-der-fotografie/ )

CV

Das Werk der 1964 in München geborenen, heute ebendort und in New York lebenden Barbara Probst steht für eine Form der fotografischen Hyper-Inszenierung. In der Aufhebung der klassischen Gegensätze von Dokumentarischem und Inszenierten geht es bei ihr um radikale Konstruktionen des Sichtbaren.

Ein entscheidendes Moment ihres Ansatzes ist die Mehrteiligkeit ihrer Werke. Die gezeigte Szenerie beruht auf dem gleichzeitigen Einsatz mehrerer Kameras, was auch die Bildtitel unterstreichen: Sie verweisen auf den Ort sowie den genauen Zeitpunkt der Aufnahme(n). Die Personen werden zeitgleich aus verschiedenen Ansichten gezeigt – durchaus nicht immer in derselben fotografischen Technik. Dabei ist die intellektuelle Ein¬bildungskraft des Betrachters gefordert, insofern er die Situation aus zweidimensionalen Einzelbildern imaginär zu einer dreidimensionalen Situation zu¬sammensetzen muss.
Reflektiert wird somit der Vorgang des Fotografierens wie auch der Standort des Betrachters und sein Verhältnis zu den gezeigten Personen. Es kommt zu einer Spaltung der naiv voraus gesetzten Einheit von Blick, Bild und personaler Identität. Auch wenn die Mehrteiligkeit der Bilder die Erwartung einer erzählerischen Dimension provoziert, so läuft diese weitgehend ins Leere: Es geschieht nichts außer der Fotografie selbst. Der zirkuläre Prozess des Sehens und Gesehen-Werdens zeigt sich selbst.
Das Werk von Barbara Probst ist sowohl in den USA als auch in Europa zu sehen und wurde durch Einzelausstellungen im Museum of Contemporary Photography, Chicago, dem National Museum of Photography, Kopenhagen, der Galerie Rudolfinum, Prag, dem Centre PasquArt, Biel und des Le Bal, Paris bekannt.

www.barbaraprobst.net

Literatur

  • Barbara Probst – The Moment in Space, (Ausst.-Kat.) Le Bal, Paris, Stuttgart 2019
  • Barbara Probst: 12 Moments, Stuttgart 2016
  • Barbara Probst, (Ausst.-Kat.) National Museum of Photography, Copenhagen / CentrePasquArt, Biel 2013