Jan Groover

Bildmodul

Untitled, 1978
C-Print
50,8 x 61 cm
Courtesy Klemm’s, Berlin

© Jan Groover Estate

Zur Arbeit

Zeitgleich zur (erneuten) künstlerischen Emanzipation der Fotografie in den siebziger Jahren kommt Jan Groover zu ihren „Kitchen Still Lifes“ und konzentriert sich hierbei auf medienspezifische Formen, speziell das Zusammenspiel von Licht und Farbe. Das vorliegende 1978 entstandene, unbetitelte Foto offenbart mit seiner starken Form der Abstraktion, dass Groover die abbildliche Dimension des Bildes weniger interessiert als die rein anschauliche Komponente. Bei diesem Foto resultiert das aus einer radikalen Nahsicht der Objekte und verbindet sich – wie selten – mit einer beinahe surrealen Farbigkeit. Dem scheint die klare Struktur auf den ersten Blick zu widersprechen, da das Bild von einer weißen Kreisform dominiert wird und ansonsten durch blassbraune und orangene Farben charakterisiert ist. Auf den zweiten Blick wird man die flache Partie am rechten Bildrand als Serviette und die auffällig von unten ins Bild ragende Form als Teilansicht eines Messers identifizieren. Die obere Partie, in der ebenfalls eine (diesmal orangene) Kreisform zu sehen ist, bleibt aufgrund ihrer Unschärfe abstrakt, da „unscharf“. Allein deshalb wird auch dort der illusionistische Eindruck eines Tiefenraums vermieden.

In der Verbindung von motivischer Ausschnitthaftigkeit und genereller Abstraktion wird die Herkunft des Dargestellten aus dem Alltags-Kontext nahezu zweitrangig. Zugleich tritt eine mögliche erzählerische Dimension hinter die Erscheinung einer unglaublichen Leuchtkraft und Farbigkeit zurück, die kein wirkliches Objekt „meint“. Die Küche hat sich auf den Titel der Bild-Reihe zurückgezogen und ist bezeichnenderweise auch im Titel des Einzelbildes verschwunden.

CV

Die Amerikanerin Jan Groover (*1943 in Plainfield, New Jersey, † 2012 in Montpon-Ménestérol, Frankreich) arbeitete zunächst als abstrakte Malerin und wandte sich erst in den 1970er Jahren der Fotografie zu. In Europa weitgehend unbemerkt, avancierte sie in kurzer Zeit zu einer der wichtigsten Vertreterin für neuere Stillleben-Fotografie.

Neben den so genannten „Kitchen Still Lifes“ (1978/79) und anderen Formen des Stilllebens hat sie sich freilich auch mit anderen Themen und Motiven (Industrie-Architektur, Highways, Körper) auseinandergesetzt. All diese verbindet eine besondere Form der Ausschnitthaftigkeit und eine dadurch hervorgerufene Abstraktion, die sodann die Farbigkeit der gezeigten Dinge in den Mittelpunkt rückt. In beinahe malerischer Manier erscheint Farbe hier als reines Licht; die Darstellung geht zwar von einem Gegenstand aus, verliert diesen aber zunehmend aus dem Blick, so dass die Farbe und das Licht selbst zum eigentlichen Thema des Bildes werden. Dazu trägt bisweilen auch die Reduktion der dreidimensionalen Räumlichkeit, des Tiefenraumes, bei.

Jan Groover hat in der männlichen dominierten Geschichte der Fotografie (speziell in den USA) eine marginalisierte Rolle gespielt und ist mit dem 1991 erfolgten Umzug nach Frankreich umso mehr aus dem Fokus des Interesses getreten. So kann man institutionell lediglich auf Einzelausstellungen im Baltimore Museum of Arts (1984), im Museum of Modern Art, New York (1987) sowie auf die Retrospektiven der Gesellschaft für aktuelle Kunst, Bremen (2017) und jüngst im Musée de l’Elysée, Lausanne (2019), wo sich auch ihr Nachlass befindet, hinweisen.

Literatur

  • Tatyana Franck (Hrsg.), Jan Groover, Photographer: Laboratory of Forms, Zürich 2019
  • Jan Groover: Under Construction, (Ausst.-Kat.) Milwaukee Art Museum 1999
  • Jan Groover. Photographs. (Ausst.-Kat.) The Museum of Modern Art, New York 1987