Annette Kelm

Bildmodul

Found Object (Balance), 2016
Inkjet Prints, 5-teilig
Jeweils 113, 8 × 90, 3 cm
Sammlung KAT_A

Zur Arbeit

Eine klare, kompositorisch und koloristisch ausgewogene Serie von fünf mittelgroßen Bildern: Zu sehen ist die einfache Konstruktion einer Waage mit ihren beiden Auflageflächen rechts und links. Sie erinnert an eine Schaukel, wie man sie von Kinderspielplätzen kennt. Und in der Tat ist es nicht ganz eindeutig zu bestimmen, um was es sich hier wirklich handelt, denn es ist kein weiterer Gegenstand, geschweige denn eine Figur im Bild zu sehen. Der Maßstab des Gezeigten bleibt mithin unklar. Dabei fallen die drei gelben Partien der Waage, die durch grüne und graue Arme miteinander verbunden sind und auf einer roten Standfläche ruhen, farblich auf. Abgesehen davon, sind die gleichförmigen Fotos wohl komponiert. Das untere Drittel der Bilder zeigt jeweils die Stellfläche einer Waage, während die verbleibenden oberen zwei Drittel durch ein farblich von Weiß nach Blau verlaufenden Hintergrund charakterisiert sind, der ganz offensichtlich im Studio konstruiert wurde. Dem entspricht auch die künstliche Beleuchtung, die nur ganz leichte Schatten zulässt und deshalb den Blick auch nicht vom eigentlichen Bild-Gegenstand ablenkt.

Dieses zentrale Objekt, die Waage, wird in der horizontalen Abfolge der einzelnen Bilder als ein Indikator von Bewegung wahrgenommen, die durch die jeweils veränderte Positionierung der Arme suggeriert wird. Wie jedoch diese Veränderungen zustande gekommen sind, bleibt rätselhaft, denn kein erkennbares Gewicht motiviert die unterschiedlichen Stellungen der scheinbar durch Geisterhand bewegten Waage. Wenn es aber kein Gewicht gibt, wieso kehrt sie dann nicht in ihre ausgewogene Ausgangslage zurück? Bloße Trägheit des Objekts oder gab es eine Hand, die sie soeben umgestellt hat, so dass es sich bei den jeweiligen Bildern um eine schnell hergestellte Momentfotografie handelt? Bemerkenswert ist besonders, dass die nahezu filmische Sequenz der Bilder keinen didaktischen Ausgangspunkt findet, denn nicht das erste oder das letzte Foto zeigen eine ausbalancierte Waage, sondern das zweite Foto. Die fünf Fotos erscheinen also als eine unvollständige Sequenz, in der die angezeigte Bewegung keine eindeutige Richtung anzeigt. Sie findet kein Ziel und führt zu einem unendlichen Loop.

CV

Die 1975 in Stuttgart geborene, heute in Berlin lebende Annette Kelm ist nach ihrem Studium an der Hamburger Hochschule für bildende Künste für ihre analytische, stilistisch dokumentarisch gehaltene Farbfotografie bekannt geworden, in der sie in beinahe konzeptueller Manier historische und gesellschaftliche Formen der Wahrnehmung untersucht.

Das motivische Spektrum der Bilder von Annette Kelm ist dabei sehr variabel. Es reicht von Themen aus den Bereichen Design und Massenproduktion, Natur und Technik bis hin zu Objekten aus kulturhistorischen und sozioökonomischen Kontexten. Bei den bisweilen surreal und manchmal durchaus auch humorvoll erscheinenden Fotografien handelt es sich stets um präzise ausgearbeitete Arrangements, die ein komplexes Netz von Referenzen eröffnen, dass Assoziationen in Gang setzt, ohne allerdings zu einer klaren „Lösung“ zu führen: das Bild ist kein Rätsel! Kelms Werk konzentriert sich auf das Einzelbild, kann aber auch in Reihen oder Sequenzen auftreten, so dass mehrteilige Bilder entstehen, die das latent Filmische des Fotografischen bzw. dessen immanente Zeitlichkeit verdeutlichen.

Die internationale Anerkennung der Position von Annette Kelm manifestiert sich in der Präsentation diverser Einzelausstellungen, die u. a. in der Kunsthalle Zürich, im Museum of Contemporary Art Detroit, im Museum Haus Lange, Krefeld, dem Bonner Kunstverein, dem Kölnischen Kunstverein, in der Kestnergesellschaft Hannover und der Kunsthalle Wien zu sehen waren.

Literatur

  • Leaves, Köln 2017
  • Nathan Moore (Hrsg.), Annette Kelm: Subjects and Objects, Köln 2015
  • Annette Kelm, Errors in English, London 2006