Edward Ruscha

Bildmodul

Every Building on the Sunset Strip, 1966
Künstlerbuch: Schwarzer Offset-Druck auf weißem Papier, gefaltet und geklebt
17,8 x 14,3 x 1 cm (geschlossen); 760,7 cm (aufgeschlagen)
Galerie Sprüth Magers, Berlin London Los Angeles

© Edward Ruscha; Foto: Herling/Herling/Werner, Sprengel Museum Hannover

Zur Arbeit

Ed Ruschas Bücher der sechziger und siebziger Jahre wurden in ihrer tendenziell amateurhaften, anti-ästhetischen Form der Reproduktion trivialster Szenen des Alltags als eine Kritik der Fotografie jener Zeit verstanden. Insofern zählen sie zu den wichtigsten Inspirationsquellen einer neuen nordamerikanischen Foto-Generation, die sich in erheblichem Maße aus der Auseinandersetzung mit der konzeptuellen Kunst entwickelte.
Das in seiner Form wohl spektakulärste Buch ist das erstmals 1966 veröffentlichte „Every Building on the Sunset Strip“. Es besitzt die Form eines Leporellos, auf dem im oberen Viertel eine extrem lange Abbildung einer Seite des „Sunset Strip“ in Hollywood und seiner Gebäude zu sehen ist, die ihr auf den Kopf gedrehtes Pendant im unteren Viertel der Seite besitzt. Dazwischen befindet sich ein weißer Streifen, eine Leerstelle der Abbildung, die man imaginär als Straße begreifen kann. Die Bildreihen entstanden mit Hilfe zweier, auf einem Auto montierter Motorkameras.
Die ungewöhnliche Anordnung der Abbildungen bewirkt zweierlei: Zum einen wird durch die Panoramaform die Illusion eines kontinuierlichen Überblicks über den gesamten „Sunset Strip“ vermittelt. Durch die Umkehrung des unteren Streifens wird diese Illusion sogleich aber auch ad absurdum geführt. Andererseits aber ist die Umkehrung schlüssig, wenn man sich den verbleibenden weißen Mittelstreifen als einen Platzhalter der Vorstellung eines fahrenden Autos vorstellt, so dass das Buch konsequenterweise in einem um neunzig Grad gedrehten Zustand gesehen werden müsste. Bei einer konventionellen Buchbetrachtung gewinnen die Bilder in dieser Anordnung darüber hinaus eine zeilenartige Struktur, die wiederum den Eigenarten eines Buches entspricht.
Ruscha greift hier eine noch heute sehr verbreitete Form der Erscheinung von Fotografie, diejenige des Foto-Buches, auf und ironisiert zugleich die klassische Street photography als auch eine einfallslose, rein an ökonomischen Kriterien orientierte Form von Urbanität.

CV

Der in Kalifornien ansässige Edward Ruscha (geb. 1937 in Omaha, Nebraska) ist weniger für seine Fotos, als vielmehr für seine eigentümlichen Gemälde, Grafiken und Bücher bekannt. Stilkritisch wird seine wirkungsmächtige Bildsprache oftmals zur Pop Art gerechnet, was allerdings erheblich zu kurz greift.
Die Unverwechselbarkeit seines Bildansatzes resultiert dabei aus einer Kombination von Einbindung von Schrift und einer unterkühlten, klaren Formsprache. Aus der Perspektive des scheinbar neutralen Beobachters reflektiert Ruscha in seinen Buchstabenbildern die Banalität großstädtischer Lebenswirklichkeit und der Massenmedien. Berühmt und für die Entwicklung einer neuen Fotografie unter dem Eindruck der Conceptual Art von eminenter Bedeutung sind vor allem seine unprätentiösen Künstlerbücher der sechziger und siebziger Jahre. Sie zeigen in scheinbar amateurhaften Fotos banale Ansichten aus dem Lebensraum (Häuser, Straßen, Parkplätze, Tankstellen etc.) und reflektieren damit subtil die Gestaltung des alltäglichen Daseins sowie dessen psychische Dimensionen.

Ed Ruscha zählt zu den entscheidenden Figuren der neueren Kunst und wurde in zahlreichen großen Institutionen, wie z.B. dem San Francisco Museum of Modern Art, Centre Pompidou in Paris, dem Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia, Madrid (2002) und dem Museum of Contemporary Art, Sydney, dem Whitney Museum, New York, dem Haus der Kunst, München und dem Kunsthaus Bregenz gezeigt. Er lebt und arbeitet in Los Angeles.

Literatur

  • Robert Dean (Hrsg.), Edward Ruscha Catalogue Raisonné of the Paintings, 7 Bde, Göttingen 2003-2016
  • Ed Ruscha and the Great American West, (Ausst.-Kat.) Fine Arts Museums of San Francisco 2016
  • Ed Ruscha – Bücher und Bilder, hrsg. v. Armin Zweite, Museum Brandhorst München 2013
  • Reading Ed Ruscha, hrsg. v. Yilmaz Dziewior, (Ausst.-Kat.) Kunsthaus Bregenz 2012