Bernd & Hilla Becher
Wassertürme, 1963 – 1969
Vier Silbergelatineabzüge
Je 26,2 x 20,6 cm
Sprengel Museum Hannover
© Estate Bernd & Hilla Becher, represented by Max Becher, courtesy Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur – Bernd & Hilla Becher Archiv, Cologne
Zur Arbeit
Das bildnerische Konzept der Bechers lässt sich bekanntlich leicht beschreiben: Ihre Schwarzweiß-Fotos zeigen Industrieanlagen und -objekte: Wasser-, Kühl- und Fördertürme, Gasbehälter, Hoch- und Kalköfen, Getreidesilos und Fabrikhallen – um nur einige wichtige Motive zu nennen. Die Gebäude sind vor einem hellgrauen Himmel zu sehen, d.h. in einer ausgewogenen Lichtsituation, die starke Schattenwürfe vermeidet und so insgesamt zu einer fotografischen Differenzierung der Grauwerte führt. Autor bzw. Bildbetrachter*innen beziehen ihren Standort konsequent auf mittlerer Höhe des in der Regel symmetrisch in der Mittelsenkrechten des Bildes platzierten Objekts – in diesem Fall vier Wassertürme. Sie sind in großer Präzision gezeigt, wobei lebensweltliche Details wie Personen oder Autos möglichst vermieden werden, so dass die gesamte Aufmerksamkeit dem einen Objekt gilt. Diese Objekte nehmen – in den Worten der Bechers – den Status von „Anonymen Skulpturen“ an.
Die vorliegende Konstellation von vier Wassertürmen ist vergleichsweise klein; es gibt auch größere, umfangreichere Typologien aus diesem Motiv-Bereich, zu dem auch – ganz entsprechend dem systematischen Ansatz der Düsseldorfer – eigene Publikationen entstanden sind (1998, 2005). Und obgleich es sich bei Wassertürmen um Zweckbauten handelt, die architekturgeschichtlich keine besondere Rolle spielen, zeigt sich im vergleichenden Sehen, das durch die Tableaus der Bechers initiiert wird, doch eine erstaunliche Formenvielfalt. Dies hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass die hier gezeigten Bauten aus dem ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert stammen und sich in Frankreich und in Deutschland befinden. Dabei geht mit dieser Betonung des Prinzips eines quasi-wissenschaftlichen Vergleichens auch eine Relativierung des Status des Einzelbildes einher. Die Typologie ist ein Modus des Seriellen.
CV
Das Düsseldorfer Künstlerpaar Hilla (* 1934 in Potsdam – † 2015 in Düsseldorf) und Bernd Becher (*1931 in Siegen – † 2007 in Rostock) zählt zu den drei zentralen Figuren der künstlerischen Fotografie der Nachkriegszeit in Deutschland. In Anknüpfung an Karl Blossfeldt (link: https://www.photographie-sk-kultur.de/karl-blossfeldt/karl-blossfeldt/) und August Sander (link: https://www.photographie-sk-kultur.de/august-sander/august-sander/) haben sie mit ihren schwarzweißen Serien zu Industriebauten an der künstlerischen Emanzipation des Mediums entscheidend mitgewirkt.
Beginnend in den 1950er Jahren fotografierten die Bechers in systematischer Manier anonyme, oft nicht mehr gebrauchte Industrie- und Wohngebäude, die sie in Europa und den USA vorfanden. Sie stellten ihre Einzelaufnahmen dabei zu offenen Serien zusammen, die einzelne bauliche Elemente wie Fördertürme, Hochöfen, Kohlebunker, Fabrikhallen oder Gasometer in den Mittelpunkt rückten. Dem dokumentarischen Prinzip folgend wurden die Gebäude in fast identischer Weise aufgenommen: frontal, alleinstehend, aus einer wohl kalkulierten Entfernung, die perspektivische Verzerrungen vermied sowie vor einem neutralen bedeckten Himmel. Daraus erwuchs eine quasi-wissenschaftliche Systematik, die in Büchern und als Tableaus in Ausstellungen präsentiert werden.
Nachdem die Bechers schon früh in den USA rezipiert worden sind und 1990 den Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk von der Biennale di Venezia erhielten, waren sie international in zahlreichen Einzelausstellungen zu sehen, etwa im Museum of Modern Art, New York, der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, dem Hamburger Bahnhof, Berlin, SK Stiftung – Die Photographische Sammlung, Köln, dem Guggenheim Museum, New York oder der Galerie Rudolfinum, Prag. Sie sind Bestandteil vieler Museums-Sammlungen.
Literatur
- Susanne Lange, Was wir tun, ist letztlich Geschichten erzählen… Bernd und Hilla Becher: Eine Einführung in Leben und Werk, München 2005
- Armin Zweite (Hrsg.), Bernd & Hilla Becher: Typologien industrieller Bauten, München 2003
- Martina Dobbe, Bernd und Hilla Becher: Fachwerkhäuser, Siegen 2001