Hannah Villiger

Bildmodul

Skulptural 1988/89
C-print auf Aluminium kaschiert
125 x 123 cm
The Estate of Hannah Villiger, Basel

© Hannah Villiger Nachlass

Zur Arbeit

Die Darstellung des weiblichen Körpers wird häufig als „Akt“ bezeichnet. Hannah Villiger hat hier mit Recht aber den Begriff „Skulptural“ gewählt, denn ihre Perspektive auf den eigenen Körper hat nichts mit Erotik oder Exhibitionismus zu tun. Nicht nur in dieser Werkgruppe setzt sie die Kamera als Instrument einer Verfremdung ein, die durch die Kombination von Nähe und radikaler Ausschnitthaftigkeit hergestellt wird.

Hannah Villigers Ansichten des eigenen Körpers sind Recherchen des Sehens. Sie beruhen auf Polaroid-Fotos, die später überlebensgroß abgezogen wurden und die Abstraktion mit der unscharfen Optik so noch verstärken. Dabei erzeugt die in wechselndem Licht, hell beleuchtete oder verschattete Farbigkeit des Körpers den Eindruck von Intimität, der aber sogleich wieder enttäuscht wird. Denn selbst wenn man eine Brustwarze und übereinander geschlagene Beine zu sehen glaubt, bleibt es nicht nur auf den ersten Blick ein Rätsel, welcher Teil des Körpers hier zu sehen ist. Der Voyeurismus entlarvt sich selbst.

CV

Die 1951 im schweizerischen Cham (Kanton Zug) geborene, bereits 1997 in Auw (Kanton Aargau) verstorbene Künstlerin ist außerhalb ihres Heimatlandes noch zu entdecken. Im Zentrum des Werkes von Hannah Villiger, die bis in die siebziger Jahre vorrangig als Bildhauerin tätig war, steht die Auseinandersetzung mit dem Körper.

Ihr Ansatz ist zweifellos in der Tradition nachmoderner Selbstinszenierungen zu sehen, die von John Coplans, Katharina Sieverding, Jürgen Klauke oder Cindy Sherman reichen. Im Unterschied dazu und auch zu den vergleichsweise offensiv und provokativ vorgetragenen Thematisierungen des Körpers in der feministischen Kunst der siebziger Jahre wird bei Villiger ein selbstbewusstes Anders-Sehen des Objektes Körper aus weiblicher Sicht erkennbar. Wie bei einer Performance zeigt sie der Kamera Teile ihrer selbst dem Objektiv aus immer kürzerer Distanz, so dass die Körperteile blasser und ungegenständlicher werden. Zugleich vermeidet sie ausdrücklich Darstellungen des Gesichts oder des ganzen Körpers, also Formen der Individualisierung. Sie widersetzt sich somit der voyeuristischen Vereinnahmung und ästhetisiert den Körper auf neue Weise.

Hannah Villiger hat u.a. in der Kunsthalle Basel, dem Museum für Gegenwartskunst, Basel, dem Musée des Beaux-Arts de Calais, dem Kunstmuseum Luzern sowie im Frankfurter und Bonner Kunstverein Einzelausstellungen gehabt. Ihr Nachlass befindet sich in Basel.

Homepage: http://www.hannahvilliger.com/

Literatur

  • Jolanda Bucher / Eric Hattan (Hrsg.), Hannah Villiger – Catalogue raisonné, Zürich 2001
  • Hannah Villiger: Skulptural 1995–1997, (Ausst.-Kat.) Kunstmuseum Luzern, 1998
  • Hannah Villiger: Skulptural 1988/89, (Ausst.-Kat.) Museum für Gegenwartskunst Basel 1989.
  • Hannah Villiger: Neid, (Ausst.-Kat.) Basler Kunstverein, 1985.