Katharina Sieverding

Bildmodul

Maton Solarisation XV/XVI + XI/XII, 1969
C-Print, Acryl, Stahl
jeweils 190 x 125 cm

© VG Bild-Kunst, Bonn 2018, Foto: Klaus Mettig, © VG Bild-Kunst, Bonn 2018

Zur Arbeit

Die vier Bilder von Katharina Sieverding dominieren allein schon durch ihre Größe und die Intensität des Blicks den Raum. Sie erinnern entfernt an jene ebenfalls überlebensgroßen Porträts mit denen Thomas Ruff in den achtziger Jahren bekannt wurde, sind aber viel früher und in schwarz-weißer Technik entstanden. Die formale Ähnlichkeit sollte auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es hier inhaltlich um andere Fragestellungen geht.

Die beiden Diptychen von Sieverding sind, wie man nach einiger Zeit erkennt, spiegelbildlich angelegt und schauen den Betrachter in ihrer Frontalität herausfordernd und suggestiv an. Dazu passt der im Bildtitel angegebene französische Begriff des „maton“, der Gefängnisaufseher. Ob es sich aber tatsächlich um Solarisationen handelt, bleibt fraglich. In jedem Fall erscheint die weibliche Gestalt wie geisterhaft entrückt.

Für die mehrteilige Serie, aus der die beiden Bildpaare stammen, hat Katharina Sieverding Passbilder aus Fotoautomaten verwendet, die sie in mehreren Stufen refotografiert und bearbeitet hat. In diesen Transformationen des Selbstbildes verschwindet zunehmend Individualität und damit auch der eigentliche Porträt-Charakter. Im Zuge dieser Infragestellung einer klassischen Bildform wird das Gesicht zu einer Projektionsfläche des Betrachters, der seinerseits vom stechenden Blick der Künstlerin dominiert wird.

CV

Die 1944 in Prag geborene Katharina Sieverding studierte zunächst in Hamburg, bevor sie sich in den sechziger Jahren in Düsseldorf niederließ und dort an der Kunstakademie ihr Studium absolvierte. Obwohl sie sich nicht allein auf ein Medium beschränkte, zählt sie seitdem auch zu den Pionieren einer Erweiterung der Ausdrucksmöglichkeiten des Mediums Fotografie.

Bereits ihr Frühwerk zeigt in den siebziger Jahren den radikalen Einsatz serieller Elemente, wenn Sieverding in Sequenzen mehrerer hundert Bilder ihr Selbst(-Bild) befragt. Zu diesem Zeitpunkt ist sie auch eine der ersten Künstlerinnen, die das Monumentalformat einsetzen. Ähnlich innovativ ist die frühzeitige Verwendung von Farb-Fotografie, die bis zur Mitte der siebziger Jahre im Kunst-Kontext alles andere als selbstverständlich war. Den seriellen Einsatz einer Vielzahl von Fotos legte dabei den Übergang zum Medium des Films beinahe zwangsläufig nahe.

Inhaltlich hat Sieverding ihren Ansatz über die Frage nach dem Selbst, der weiblichen Identität und seiner performativen Stilisierung hinaus stets auch in gesellschaftlich-politischer Hinsicht erweitert. Erkennbare Quellen des von ihr Bildmaterials sind öffentliche Medien, Filme, Archive. Und auch die Themen erscheinen auf den ersten Blick disparat: z.B. Naturwissenschaft, Ökonomie, Geschichte, menschliche Affekte, fremde Kulturen. Sieverding geht es aber gerade um den gesellschaftlichen und politischen Zusammenhang dieser Themen. In ihrer Bildwelt vermischen sich selbst gemachte, wieder verarbeitete und gefundene Bilder zu einem hybriden Konglomerat von Bildern, wo künstlerische Autorschaft zu einer irrelevanten Kategorie wird.

Die in Düsseldorf ansässige Künstlerin hat zahlreiche Einzelausstellungen gehabt und war dabei u.a. im Museum Folkwang, Essen, dem Stedelijk Museum Amsterdam, Museum of Modern Art PS 1, New York, der Nationalgalerie, Hamburger Bahnhof, Berlin, der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf und in der Bundeskunsthalle, Bonn zu sehen.

Literatur

  • Katharina Sieverding: Kunst und Kapital, (Ausst.-Kat.) Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland 2017
  • Katharina Sieverding: mal d’archive, (Ausst.-Kat.) Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 2014
  • Katharina Sieverding: Weltlinie 1968 – 2013, (Ausst.-Kat.) Museum Schloß Moyland, Bedburg 2013
  • Alanna Heiss / Klaus Biesenbach (Hrsg.), Katharina Sieverding: close up, Köln 2004